Heute gilt sie als Pionierin der Moderne und ihre Möbel aus Stahlrohr als Klassiker des Interior Designs. So gehört ihr Adjustable Table E1027 zu den meistkopierten und bekanntesten Designs der Welt. Nachdem sich Gray in den 1920er Jahren als Möbeldesignerin einen Namen gemacht hatte, schuf sie ihr bekanntestes architektonisches Werk: Das Maison en Bord de Mer E.1027 an der Côte d’Azur.
Während ihre Design- und Architekturentwürfe in den 1920er Jahren gefeiert wurden, gerieten Eileen Gray und ihr Werk lange in Vergessenheit. Zum Ende ihres Lebens hin durfte die aussergewöhnliche Designerin die Würdigung ihres Schaffens miterleben: In den 70er Jahren wurden viele ihrer Möbelentwürfe gerettet und befinden sich heute in renommierten Sammlungen. Eileen Gray gilt heute als Inbegriff der Moderne und eine der wichtigsten Architektinnen und Designerinnen des frühen 20. Jahrhunderts.
Eileen Gray, Paris, 1926, Foto: © Berenice Abbott/Getty Images
Eileen Gray, Foto: The National Museum of Ireland
Eileen Gray zwischen Paris und London
Erste Möbelentwürfe: Japanische Lackkunst und moderne geometrische Formen
Eileen Gray wurde 1878 als Kathleen Eileen Moray in eine adlige irische Familie hineingeboren. Von 1898 bis 1902 studierte sie als eine der ersten Frauen an der Slade School of Art in London. Anschliessend zog sie nach Paris, zu dieser Zeit das Zentrum der Kunstwelt, wo sie auf bedeutende Kunstschaffenden ihrer Zeit traf. Nach einer Ausbildung beim japanischen Lackkünstler Seizo Sugawara widmete sich Gray dem Design von Lackmöbeln. In ihren Entwürfen verband sie das japanische Kunsthandwerk mit Art Deco und den geometrisch-abstrakten Prinzipen von De Stijl. Gleichzeitig entdeckte sie das Weben von Tapisserien für sich. Sowohl ihre Lackmöbel und als auch ihre Teppiche verkaufte sie ab 1922 in ihrer Galerie Jean Désert in Paris.
Anfang der 20er Jahre begann Gray mit der Gestaltung ihrer ersten Inneneinrichtungen. Am bekanntesten ist ihre Inneneinrichtung für die Pariser Wohnung von Madame Mathieu-Lévy an der Rue de Lota. Gray schuf einige ihrer prägendsten Entwürfe für diesen Auftrag. Das Sofa Lota mit den üppigen Kissen und den mehrfarbig lackierten Seitenteilen oder der lackierte Block-Wandschirm.
Lackierter Block-Wandschirm, Eileen Gray, 1922. Foto: eileengray.co.uk
ClassiCon, Sofa Lota, Design Eileen Gray, 1924
Vom Interior Design zur Architektur
Chrom, Stahlrohre und Glas
Im Austausch mit wichtigen Vertretern der modernistischen Bewegungen von De Stijl bis zum Bauhaus entwickelte Eileen Gray in den 1920er Jahren einen dezidiert modernen Stil: Weg von den dekorativen Elementen ihrer frühesten Entwürfen hin zu einer schlichten, geometrischen Formensprache. Früh verwendete sie moderne Materialien: Bereits 1925, im gleichen Jahr wie Ludwig Mies van der Rohe und Marcel Breuer und noch vor Le Corbusier, entwarf Gray Möbel aus Chrom, Stahlrohren und Glas.
Unterstützt von ihrem damaligen Lebenspartner, dem rumänischen Architekten Jean Badovici wandt sich Eileen Gray der Architektur zu. Zwischen 1926 und 1929 erbaute sie sich an der französischen Mittelmeerküste ihr erstes und bekanntestes Haus: E.1027 in Roquebrune-Cap-Martin. E steht für Eileen, 10 für Jean (J ist der 10. Buchstabe des Alphabets), 2 für B(adovici) und 7 für G(ray). Mit Ende 40 und ohne Architekturausbildung schuf Eileen Gray ein Meistwerk der Moderne. E.1027 widerspiegelt ihre Auseinandersetzung mit moderner Architekturtheorie, insbesondere mit Le Corbusiers Manifest Five Points of Architecture. Le Corbusier war fasziniert von Grays Haus. Auf Le Corbusiers bekanntes Zitat «A house is a machine for living in» entgegnete Gray jedoch: «A house is not a machine to live in. It is the shell of man, his extension, his release, his spiritual emanation.»
Für ihr Haus E.1027 entwarf Gray eine Reihe von Möbeln. Architektur und Inneneinrichtung waren bei Gray gleichgestellt und bildeten eine Einheit. Die Einrichtung soll sich dem menschlichen Körper und dessen Bedürfnisse anpassen. Das Day bed schuf sie, damit Gäste sich auf alle Seiten des Sofas setzen und auch hinlegen können. Ihr berühmter Adjustable Table E 1027 diente als multifunktionaler Beistelltisch.
«To create one must first question everything»
– Eileen Gray
Ein einzigartiges Werk
Späte Anerkennung
Nach ihrem Erfolg in den 20er Jahren geriet Eileen Gray in Vergessenheit. Erst in den 70er Jahren, Gray war nun über 90 Jahre alt und lebte zurückgezogen in Frankreich, wurde ihr Werk wiederentdeckt. Bei der Versteigerung der Sammlung ihres frühen Förderers Jacques Doucet 1972 erwarb Yves Saint Laurent ihren Wandschirm Le Destin zu einem aufsehenerregend hohen Preis. Viele ihrer Möbel wurden nun gerettet und erzielten hohe Preise bei Auktionen. Zeev Aram, ein britischer Möbelhersteller, erarbeitete 1973 gemeinsam mit Gray eine serientaugliche Reeditionen ihrer Möbel. Heute sind ihre Möbel bei ClassiCon erhältlich.
Eileen Gray starb 1976 mit 98 Jahren. Zwei Jahre später wurde ihr Adjustable Table E 1027 vom Museum of Modern Art in New York in dessen ständige Sammlung aufgenommen. Der Erfolg von Gray nahm stetig zu und heute gilt sie als Pionierin der Design- und Architekturgeschichte. Das Centre Pompidou in Paris widmete ihr 2013 eine grosse Einzelausstellung. Die Produktionen des Spielfilms „Price of Desire“ sowie des Dokumentarfilms „Gray Matters“ (beide 2014) knüpfen an den Ausstellungserfolg an.
Nach einer längeren Phase des Zerfalls wurde das Haus E.1027 vor kurzem restauriert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Quellen: Classicon, eileengray.co.uk, Centre Pompidou, Domus, The London List
Entdecken Sie die einzigartigen Möbel und Leuchten von Eileen Gray:
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ClassiCon, Eileen Gray, Entwurf 1931
Als hätte ein Schlangenbeschwörer das Kabel in die Höhe steigen und den Leuchtenkopf neigen lassen, verläuft die geschwungene Linie der Stehleuchte Roattino. Ein S-förmig gebogenes Stahlrohr führt das Kabel und steht auf einem schwarz lackierten Fuß. Eigenwillig, nicht konform und mit einem Schuss Humor, ist dies ein für Eileen Gray typischer Entwurf. Ein schlichter asymmetrischer Stoffschirm dämpft das Licht und macht aus ihr eine besonders angenehme Leseleuchte.
ClassiCon, Eileen Gray, Entwurf 1926
Der Bibendum ist eine singulare Erscheinung. Nirgendwo in der Designgeschichte wird man eine Sitzgelegenheit finden, die dieser gleicht. Trotz seiner Größe ist der Bibendum von bestechender Harmonie. Wie kein zweiter Sessel verbindet er majestätische Repräsentationswirkung mit Charme und Esprit. Eileen Gray unterstrich den Charakter ihres liebenswerten Salonlöwen mit augenzwinkernder Ironie, indem sie ihn nach dem Michelin-Reifenmännchen benannte, dessen Form der Sessel zitiert.
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ClassiCon, Eileen Gray, Entwurf 1927
Unter den Klassikern ist dies wohl der Klassiker. Seine genial proportionierte, unverwechselbare Form hat den höhenverstellbaren Tisch zu einer der populärsten Design-Ikonen des 20. Jahrhunderts werden lassen. Er ist nach dem Sommerhaus E 1027 „Maison en bord de mer“ benannt, das Eileen Gray für sich und Jean Badovici baute. Der geheimnisvolle Codename stammt ebenfalls von ihr: E steht für Eileen, 10 für Jean (J ist der 10. Buchstabe des Alphabets), 2 für B(adovici) und 7 für G(ray).
ClassiCon, Eileen Gray, Entwurf 1924
Das Appartement von Madame Mathieu-Levy in der Rue de Lota in Paris galt als eines der sensationellsten Beispiele französischer Innenarchitektur der 20er Jahre. Die Ausstattung hatte Eileen Gray in rund fünfjähriger Arbeit entworfen, u.a. mit schwarzen und silbernen Lackpaneelen an den Wänden und einer Prunkliege in Form eines Einbaums. Eine weitere Attraktion war das Sofa Lota mit den üppigen Kissen und den mehrfarbig lackierten Seitenteilen. Eileen Gray gefiel es so sehr, dass sie später ein zweites Exemplar für ihre eigene Wohnung anfertigen ließ.
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ClassiCon, Eileen Gray, Entwurf 1930
Der High-Tech-Look, der in den 80er Jahren aufkam und immer noch latent aktuell ist, hatte eine geniale Vorläuferin: Vor über einem halben Jahrhundert hatte Eileen Gray mit dem Folding Screen und ihrer Leuchtstoffröhrenlampe Tube Light die kühle Industrie-Ästhetik moderner Technik vorweggenommen. Ihr sanft geschwungener, vierflügeliger Paravent mit Lochblechfüllung wird auch die Stiltrends künftiger Jahrzehnte unbeschadet überdauern. In der Tat: Es gibt Formen, die nicht zu verbessern sind.
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ClassiCon, Eileen Gray, Entwurf 1926
Eileen Gray schuf nicht nur einige der bedeutendsten Möbelklassiker des 20. Jahrhunderts, sondern unterhielt auch ein eigenes Atelier, in dem Teppiche nach ihren Entwürfen hergestellt wurden: Meisterwerke abstrakter Textilkunst aus 100% reiner Wolle, handgeknüpft und in höchster Qualität verarbeitet.
Eileen Gray entwarf den Centimetre Rug für den Salon ihrer Villa E1027. In den späten 1920er-Jahren verwendet Eileen Gray für ihre Entwürfe oft Zahlen und Zeichen – wie zum Beispiel fragmentierte Elemente von Alltagsgegenständen. Diese sind Anspielungen auf ihre breitgefächerten Interessen, denen sie sich in ihrem schöpferischen Dasein widmete.
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Filmtipp: ab Herst 2024
E.1027 – Eileen Gray and the House by the Sea
Film by Beatrice Minger & Christoph Schaub, 2024, 90 Min.
Eine filmische Reise in die Gedankenwelt von Eileen Gray. Die irische Designerin baut 1929 ein Refugium an der Côte d’Azur. Ihr erstes Haus ist ein diskretes, avantgardistisches Meisterwerk. Sie nennt es E.1027, eine kryptische Kombination aus ihren Initialen und denen von Jean Badovici, mit dem sie es gebaut hat. Als Le Corbusier das Haus entdeckt, ist er fasziniert und besessen. Er überzieht die Wände mit Wandmalereien und veröffentlicht Fotos davon. Für Gray ist es Vandalismus und sie fordert von Le Corbusier, dass die Malereien entfernt werden. Er ignoriert ihre Wünsche und baut stattdessen direkt hinter E.1027 sein berühmtes Cabanon, das bis heute die Erzählung des Ortes dominiert.
Quelle: swissfilms.ch
Kinostart Schweiz: 28.11.2024